Die grosse Prognoseunsicherheit
Dass Wechselkurse äusserst schwierig zu prognostizieren sind, ist an sich bekannt. Trotzdem dienen uns die Wechselkursprognosen und die damit verbundenen ökonomischen Analysen als Anker in der unsicheren Welt der Währungen. Aus diesem Grund finden Sie auf dem FX Dialog als Übersicht stets die aktuellen, aggregierten Währungsprognosen zu den wichtigsten Währungspaaren. Wir erfassen dazu die Prognosen von 101 Prognoseinstituten, vor allem Banken (Datenquelle: Bloomberg). Jeweils am ersten Tag eines Monats werden die Prognosen aktualisiert. Die Februar-Aktualisierung haben wir diesmal etwas vorgezogen, denn ein Blick darauf lohnt sich besonders.
Unsicherheit beim Euro und US-Dollar
Das aus Schweizer Sicht bedeutendste Währungspaar ist nach wie vor EUR/CHF. Hier herrscht unter den Prognoseinstituten für einmal eine vergleichsweise hohe Einigkeit. Die Median-Prognose (das ist die mittlere Prognose, d.h. 50% der Beobachtungen liegen darüber und 50% darunter) liegt für alle Prognosezeitpunkte (Q1 2018 bis Q3 2018) bei 1.17 bis 1.19 EUR/CHF und entspricht in etwa dem aktuellen Spot-Kurs von 1.16 EUR/CHF (die Währungsnotierung liest sich umgekehrt, 1.16 EUR/CHF bedeutet 1.16 CHF pro EUR). Das ist ein Rappen mehr als bei der letzten Auswertung im Januar. Auch bei der Verteilung der Prognosen zeigt sich für den Euro ein relativ geeintes Bild. Die höchste beobachtete Prognose liegt aktuell bei 1.25 EUR/CHF, die tiefste bei 1.09 EUR/CHF. Die Abweichung zwischen der höchsten und der tiefsten Prognose ist zwar ausgeprägt, aber geringer im Vergleich mit den anderen Wechselkursprognosen. Trotzdem lässt sich die Frage, ob generell ein stärkerer oder ein schwächerer Euro erwartet wird, nicht beantworten. Ungefähr die Hälfte der Institute erwartet eher eine Wechselkurssteigerung, die andere Hälfte eher einen Wechselkursrückgang.
Eine leicht grössere Unsicherheit zeigt sich bei der Analyse des US-Dollars. Während der Spot-Kurs in den letzten Tagen deutlich gesunken ist und mittlerweile bei knapp 0.94 USD/CHF liegt, liegt die Median-Prognose für alle Prognosezeitpunkte in etwa bei 0.98 USD/CHF. Beim Vergleich der höchsten und tiefsten Wechselkursprognose wird die Unsicherheit über die Zukunft deutlich. Per Q3 2018 werden Wechselkurse von zwischen 1.04 und 0.89 USD/CHF erwartet. Oder pointiert ausgedrückt: Man weiss nicht, wohin sich der US-Dollar bewegen wird.
Die Ratlosigkeit beim Pfund
Ein ähnliches Bild wie beim US-Dollar zeigt sich bei der Analyse des japanischen Yen (JPY). Die Median-Prognose ist über alle Prognosezeitpunkte stabil (116 CHF/JPY) und liegt in etwa beim aktuellen Spot-Kurs von 116 CHF/JPY. Die Abweichung der höchsten und tiefsten Wechselkursprognose beträgt wiederum ca. +/- 10% um die mittlere Wechselkursprognose.
Grosse Ratlosigkeit zeigt sich jedoch beim britischen Pfund (GBP). Zwar liegt die Median-Prognose ebenfalls stabil über alle Prognosezeitpunkte bei rund 1.32 GBP/CHF und liegt in etwa beim aktuellen Spot-Kurs von 1.32 GBP/CHF. Die Abweichungen zwischen den einzelnen Prognosen sind jedoch beträchtlich. Per Ende des 3. Quartals 2018 erwartet das Institut mit der höchsten Erwartung an das britische Pfund einen Kurs von 1.54 GBP/CHF (entspricht einer Steigerung von 16% gegenüber dem aktuellen Spot-Kurs), das Institut mit der tiefsten Erwartung einen Kurs von 1.09 GBP/CHF (entspricht einem weiteren Kursverlust von 18% gegenüber dem aktuellen Spot-Kurs). Es herrscht ganz offensichtlich grosse Unsicherheit und Uneinigkeit, was der weitere Verlauf der Brexit-Verhandlungen für die britische Währung bedeuten wird.
Was lernen wir daraus?
Obwohl es zwischen den Prognosen zu den einzelnen Währungen grosse Unterschiede gibt, lassen sich ein paar Gemeinsamkeiten herauslesen. Erstens scheint es so, dass die Median-Prognose jeweils in etwa dem aktuellen Spot-Kurs entspricht. Das widerspiegelt auch die in der Literatur häufig geäusserte Theorie, dass der aktuelle Spot-Kurs die beste Wechselkursprognose sei. Zweitens bedeutet die Tatsache, dass es von der mittleren Wechselkursprognose sowohl grosse Abweichungen nach oben wie auch nach unten gibt, dass unter den Prognostikern keine Einigkeit darüber herrscht, ob eine Währung stärker oder schwächer erwartet wird. Oder etwas bildlicher gesprochen: Für jede Wechselkursprognose, welche einen Kursanstieg erwarten lässt, findet sich eine Wechselkursprognose, welche einen Kursrückgang vorhersieht.
Was bedeutet das für exponierte Unternehmen? Es ist gefährlich sich in der Beurteilung, respektive dem Management von Währungsrisiken auf Wechselkursprognosen zu verlassen. Vielmehr braucht es die Einsicht, dass wir grundsätzlich nicht wissen, wohin sich die Währungen bewegen. Entsprechend müssen sich die Unternehmen auf die Unsicherheit einstellen und sich die Frage stellen, was stärkere oder schwächere Währungen für das eigene Unternehmen bedeuten und wie damit umzugehen ist.
P.s. Im Laufe des Jahres werden wir auf diesem FX-Blog nochmals gesondert auf die Wechselkursprognosen eingehen. Aktuell läuft an der ZHAW School of Management and Law eine Untersuchung zur Qualität von Wechselkursprognosen. Selbstverständlich werden wir an dieser Stelle über die Ergebnisse berichten.